An den Rand notiert: 1625 bis 1649

Andreas Burmester

Aberdeen 1625 stellt nicht nur ob seiner weit von unserem Geschehen abgelegenen Lage in Schottland, sondern auch in der Struktur der Taxe eine Besonderheit dar: Es ist eine Gesamttaxe, die jedoch z. B. unter dem Buchstaben F die „Foliorum Herbarum nostratium / Leaues of Countrey Herbs“ zusammenfasst. Unmittelbar danach findet sich "Fol: auri. of gold in leaues […] the peice 2. s.", dann folgt Blattsilber zum halben Preis pro Blatt. Auch wird schon im Titel deutlich, dass D. Gordon eine Apotheke und ein Chemikaliengeschäft (chemical shop) betreibt. Die Taxe differenziert nach den Pharmaca composita dogmatica, übersetzt mit composed medicaments of the ancients (darunter die Olea per expressionem, Oyles by expression) und den Medicamenta spagyrice praeparate (Chymicall Medicamentes) bzw. den Medicamentis chemicorum. Dort werden z. B. Sales chimici oder Olea chimice destillata angeboten, darunter Terpentin.

In der bedeutenden Reichsstadt Köln, Umschlagplatz zahlreicher Waren, die den Rhein hinauf- oder hinuntergingen, bietet die Taxe Köln 1628 eine Überraschung: Sie ist gänzlich auf Latein verfasst und die Farben fehlen. Zwar sind z. B. Arseni citrini oder Cinabaris aufgenommen, jedoch haben auch diese beiden pharmazeutische Bedeutung. Vor allem fehlt unser Bezugspunkt, der Grünspan. Es muss also in Köln andere Bezugsquellen gegeben haben. Weiterhin folgt die Struktur der Taxe der einer Auswahltaxe: Gängige Produkte – ohne sie beim Namen zu nennen – werden in der Sammeltaxe zu einem Posten zusammengefasst, nur ausgewählte Besonderheiten werden einzeln aufgeführt und eingepreist.

Köln 1628 könnte als Beleg dafür gelten, dass der Handel mit Farben nicht (mehr?) zwingend über die Apotheken erfolgen musste, jedoch in manchen Städten den Apotheken zugeordnet wurde, um ihr wirtschaftliches Überleben zu sichern. Übernahmen also in großen Städten Materialisten oder Krämer den Farbhandel, fiel diese Aufgabe in kleineren Städten der Apotheke zu. Der Materialist selber betrieb zunehmend einen Handel en gros ebenso wie - so meine Vermutung - einen Detailhandel, auch wenn das Regelwerk dies zu verhindern suchte. Waren wie Tee, Kaffee oder Kakao, aber auch die diversen Zucker waren zunehmend beim Materialisten zu finden. Die Apotheke verlor mit dem Aufkommen eines chymisch, im eigenen Laboratorium hergestellten Warensegmentes auf der anderen Seite Waren eines zunehmend selbstverständlich werdenden Alltagsortiments. Hierzu gehören auch die Farben und all das, was uns interessiert!

Wittenberg muss also zu den kleineren Städten rechnen: In vielen Taxen dieser Zeit wie auch dort finden sich die Farben in den metalla und Bergarten Kapiteln – eben wie in Wittenberg 1625. Sind hier die Farben nicht mehr eigens ausgewiesen – was in Wittenberg 1599 und in Wittenberg 1611 noch der Fall war –, tauchen die Farben in der überarbeiteten Neuauflage von Wittenberg 1632 in der Kapitelüberschrift wieder auf. Hier sind Metalle, Bergarten und Farben zusammengefasst.

Wittenberg 1632 (Universitäts- und Landesbibliothek Sachsen-Anhalt)

Neu aufgenommen sind Musivsilber und Rötel, also typische Produkte für den Künstlerbedarf. Weitere Veränderungen liegen in einer Überarbeitung der Sprache wie auch des Druckbildes, der Drucker Johann Röhner hat dazugelernt. Das Setzen der reichhaltigen Taxe wird für ihn ein eher ungewohnter Auftrag gewesen sein, auch wenn Bäckereien, Gerichte oder Bestattungen eigene Taxen hatten. Das wesentlich klarere Druckbild und eine eindeutige Zuweisung der Waren zu den jeweiligen Preisen belegt, dass auch seitens des Apothekers eine Bereinigung und Verdeutlichung gefordert war.

Bis 1895 hatte Wittenberg nur eine einzige Apotheke. Für sie war schon die Taxe Wittenberg 1599 verfasst. 1502 gegründet, erwarb 1515 der Maler und Nichtapotheker Lucas Cranach d. Ä. (1472-1553) die Apotheke, um seiner großen Werkstatt unmittelbaren Zugang zu all dem zu ermöglichen, was an Materialien gebraucht wurde. Seit 1520 mit einem Privileg versehen, ging die Apotheke nach Cranachs Tod in das Eigentum seiner Tochter Anne über, die mit dem Apotheker und Bürgermeister Wittenbergs, Caspar Pfreund, verheiratet war. 1547 vom ursprünglichen Standort in der Schloßstraße 1 an den Markt verzogen, sicherte die außerordentlich reich sortierte Apotheke die Versorgung der Stadt. 1799 verlagerte sie ihre Tätigkeit wieder zurück in die Schloßstraße 1. [1]

Die Taxe von Württemberg 1626, verlegt in Stuttgart, entpuppte sich während der Bearbeitung als in einem Punkt überaus wichtig: Aus ihr ist nicht nur abzulesen, dass der Apotheker eine zentrale Bedeutung für das Gemeinwesen hatte, weshalb er „aller der gemeinen Fron/ Wachens und Thorhütens/ seiner person halber/ an dem Ort da er sein Apoteck hat/ frey sitzen“ sollte. Er war also von Fronarbeiten und Wachdiensten freigestellt. Weit wichtiger, wurde ihm schon in der Apothekenordnung zugesprochen, dass es der Apotheke gestattet sei, neben den „Materialibus, auch alle Specerey/ doch gerecht und gut auff die Prob/ darzu alles auch was zu allerhand Farben gehört/ fail zuhaben.“

In der Ordnung wird der Apotheker in seinen Aufgaben klar von den „Landstraiffigen Alchimisten/ Lautschreyer/ Zanbrecher/ Impostori, Laboranten und Schmeltztigel“, Barbierern und „andere[n] Geltbegürige[n]/ Als da seynd Versuchärtzte/ Künstler/ leichtfertige Kirchen: und Schuldiener/ Tyriackskrämer/ Zanbrecher/ Schwartzkünstler/ Kramer/ Landstreicher/ Wurtzelträger/ Mäuß: und Rattenfänger/ Circumforanei/ aigennützige und verdächtige Weibsbilder/ reverent. Wasenmeister/ Nachrichter und dergleichen Unbequeme“ abgegrenzt, die sich wohl erdreisteten, des Gewinns halber ärztlichen Rat anzubieten, Abtreibungen vorzunehmen, Medikamente zu verkaufen und Kranke damit „gar [zu] verderben/ und jämerlich umb das Leben [zu] bringen.“ Die Vielzahl der genannten Berufsgruppen macht einmal mehr die hohe Arbeitsteiligkeit des 17. Jhs. deutlich.

Württemberg 1626 ist die erste gedruckte Ordnung und Taxe im Herzogtum Württemberg, sie hatte zahlreiche handschriftliche Vorläufer. War auf diesem Wege das Apothekenwesen in Stuttgart wie in Tübingen schon 1482 geregelt, trug seit 1559 ein Medizinalkollegium zur Entstehung einheitlicher Vorgaben im Herzogtum bei. Um 1620 gab es dort rund 25 Apotheken, deren Tätigkeit amtlich geregelt werden musste – was mit Abschriften nicht mehr zu leisten war. Die Nachfolgetaxe von 1641 erschien bei demselben Drucker, bei Johann Weyrich Rösslin in Stuttgart, und wurde in einer Auflage von 160 Exemplaren gedruckt. Auf der Rechnung standen 16 Florin und 30 Kreuzer, ein Exemplar der Taxe kostete also rund 6 Kreuzer [2].

Im sächsischen Görlitz ging im Jahr 1625 die einzige, vermutlich in der Brüdergasse befindliche Apotheke in den Besitz von Johann Bütner (auch Büttner, verst. 1634) über. 1627 wurde die Büttnerische Apotheke mit einem Privileg versehen. Es war sie, für die die neue Taxe Görlitz 1629 aufgelegt wurde [3], die dann erst 1633 im Druck erhältlich war. In der Anmerkung „Die Richtigste Ordnung/ ist ein jedes an seinen Orth/ Verhüttet viel Schaden/ und giebt gute Förderung// Ubi non ordo, ibi confusio.“ wird eine der Triebfedern des Apothekers deutlich: Die in der Natur nur schwer erkennbare Ordnung in seine Ordnung innerhalb der Offizin zu bringen. Gefürchteter Unordnung stellt sich die klare Struktur dieser Taxe – insbesondere durch die Leges Officinae Büttnerianae – entgegen.

Görlitz 1629 (Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel)

Die Görlitzer Taxe führte ungewöhnlicher Weise den Namen der Büttnerischen Offizin im Titel. Eine absolute Ausnahme! Sie ist zugleich ein außergewöhnliches pharmaziehistorisches Dokument, beschreiben die Sammeltaxe und die angehängten Büttnerischen Leges doch ein bis ins Detail geregelte Leben und das reiche Warenangebot einer Apotheke einer kleineren Stadt mitten im 30jährigen Krieg. Kleine Orte entpuppen sich damit einmal mehr für unser Projekt als weit interessanter wie das großstädtische Umfeld. Und klein heißt nichts: Die Strahlkraft der Bütterschen Leges reichte bis nach Straßburg 1685.

Im Mittelpunkt von Görlitz 1629 steht für uns das außerordentliche Colores Kapitel: Es umreißt die Palette der Zeit. Neben Tinten, „schwartze Mahler Kreyden“, Rötel und verschiedenen Papieren (sehr selten!) bietet sie Berggrün, Braunstein, Bergblau, den Lasurstein und gemachtes Lazur blaw, verschiedene Qualitäten von Bleiweiß, Lackmus, die immer noch nicht entschlüsselte Eisenfarbe, Indigo, Florentiner Lack, Kugellack, Schminck Tüchel und Schminck Pappier, Mennige, Safran, Saftgrün, Cölnische Erde und Schattenfarbe. Unter den Mineralia finden sich dann auch Grünspan, Auripigment, alle Formen von Blattsilber, Blattgold oder Zwischgold – ob als Blatt oder im Buch –, Muschelsilber und -gold, Zinnober, Bleigelb oder Ocker und vieles mehr. Warum letztere Waren im Mineralia und nicht im Colores Kapitel zu finden sind, bleibt Johann Büttners Geheimnis. Wie schon in Arnstadt 1573 verweisen manche Warenbezeichnungen explizit auf einen Bezug über den Materialisten, so für Safran und rotes Brasilholz.

In den, der Taxe angehängten Leges Officinae Büttnerianae, die die praktischen Tätigkeiten in der Büttnerischen Apotheke regeln, finden sich aufschlussreiche Hinweise auf die damals üblichen Verpackungsformen. So wurden Waren in Blasen – die allerdings auslaufen konnten – und in Cerat-Pappieren, also in Wachspapieren abgegeben. Die pulverförmigen Farben sollten in Papieren abgewogen werden, wobei „allezeit in die andere (Waag)Schalen so viel Pappiers dagegen“ einzulegen sei. Diese Regelung deutet auf Abgaben in kleineren Mengen hin. Offenbar bestand ein großer Bedarf an selbst hergestellter „Schwartzer Tinten“ (Eisengallustinten), von der immer ein zusätzlicher Vorrat vorgehalten werden solle. Interessant ist der Hinweis, dass Gummen und Harze zur „Winters zeit/ und wann es am kältesten ist“ gestoßen und gerieben werden, weil sich diese „bey warmem Wetter nichs wohl pulverisiren lassen“. Handkäufe waren an den Markttagen wohl besonders häufig, weshalb an diesen Tagen keine Medikamente zubereitet werden sollten. Für pharmazeutische Zubereitungen werden Marmormörser mit Pistillen aus Guajak Holz erwähnt: Dieses sogenannte Eisenholz ist sehr schwer und hart.

Die Görlitzer Apotheke sollte in jedem Fall mit zwei Gesellen besetzt sein. Verließ einer die Apotheke, sollte er angeben, wo er hinging. Der Tag war ausgefüllt: Nach den Abendmahlzeiten waren noch Candelas, Trochiscos und Pilulas herzustellen. Siebe, mit denen Bolo, Lithargyrio, Viride aeris oder Confect gesiebt werden, sollten deutlich beschriftet werden, um Verwechslungen auszuschließen. Bei Zubereitungen verwendete „Spatel/ Schälichen/ Mörser/ Tabulir-Bleche/ Morsulir-Bretter/ Schwammen“ sowie andere Instrumente z. B. zur Herstellung von Ölen sollten zu den Mahlzeiten mittags wie abends sorgfältig gereinigt werden. „Gewichte, Spattel/ Löffel und andere Instrumenta“ waren „fleissig“ zu zählen, Fehlendes zu melden und zu suchen, „damit es nicht in die lange Küste [Kiste] komme/ vergessen/ oder gar verlohren werde“. Den Lehrjungen oblag samstags, die „Spinnweben in und ausser der Officin wohl ab[zu]kehren.“ Ebenso war Staub von den Büchsen mit einem weichen Tuch abzuwischen und waren diese in der richtigen Reihenfolge und mit der Beschriftung nach vorne in die Regale zurückzustellen. Auch Waagschalen und Gewichte waren mit warmem Wasser zu reinigen, letztere dann wieder in mit „reinem Pappier ausgekleidete Kästell“ zurückzustellen. Da im Sommer für solche Arbeiten kaum Zeit blieb – hier waren Heilkräuter etc. zu sammeln –, sollten im Winter Verpackungspapiere auf dem Tisch auf Vorrat in kleinere Stücke geschnitten und Schachteln feinsäuberlich mit weißem Papier ausgekleidet werden. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass Görlitz 1629 für unsere Thematik reiche Hinweise auf den täglichen Warenverkauf, die Verpackung von Farben und die zubereitenden Tätigkeiten insbesondere zu Gummen, Harzen und auch – hier nicht näher ausgeführt – von Ölen in der Offizin gibt.

Eine der häufig wiederkehrenden Fragen ist, warum zwischen dem Erscheinen einer Taxe und ihrer Nachfolgetaxe oft viele Jahrzehnte verstreichen. So ist die zeitliche Lücke zwischen Hamburg 1587 und Hamburg 1638 über 50 Jahre! Das Vorwort der 1638 erschienenen Liste berichtet nicht nur von geänderten politischen und wirtschaftlichen Verhältnissen – was mit dem Niedergang der Hansestadt im 17. Jh. und den andauernden Spannungen mit den skandinavischen Ländern zu tun hatte –, sondern vor allem, dass „Exemplaria [der Taxe von 1587] in abgang gekommen seien“. Von der auf Vorrat gedruckten Taxe Hamburg 1587, von der wir schon hörten, war also nichts mehr vorrätig! Die Stadt war zwischenzeitlich auf weit über 40.000 Einwohner gewachsen und rechnete damit zu den größten Städten im Deutschen Reich. Warum man sich jedoch entschied, statt einer mit Preisen versehenen Taxe einen preislosen Catalogus zu erlassen, bleibt offen. Eine „zunehmung ohngewöhnlicher Kranckheiten/ und geschwinder Sterbensleuffte“ und eine als notwendig erachtende "verhütung [...] besorgenden Underschleiffs/ Verfelschung und corruption der Medicamenten" zwangen zum Handeln. Die vom Ersten Bürgermeister der Hansestadt und seinem Rat erlassene „Specification oder Verzeichnuß“ galt allerdings nur für die stadteigene Ratsapotheke. Erwähnenswert ist, dass sich auch diese Apotheke neben einer regelmäßigen Visitation „einer ponderation“ unterwerfen musste, also die Inventur auch eine Erfassung der gelagerten Mengen erforderte.

Detail aus dem Titelkupfer von Hamburg 1638 (Österreichische Nationalbibliothek)

In der Taxe Heilbronn 1638 – mitten im 30jährigen Krieg verfasst, mitten „in dieser beschwerlichen Zeit“ – kehrt im Vorwort ein bereits bekanntes Narrativ wieder, denn es sei „[…]allerhand Unordnung unnd schädliche Mißbräuch/ in der löblichen/ und dem Menschlichen Leben hochnothwendigen Artzney/ eingerissen und in vollem Schwanck gangen: Auch der Apothecker dero Wahren/ in all zu hohem Tax in Preiß hingegeben/ und den armen Mann damit abgeschröckt/ sich der ordentlichen Mittel zubedienen/ dardurch viel und mancherley Unheyl entstanden.“

Heilbronn 1638 (Universitätsbibliothek Erlangen-Nürnberg)

Auch in Heilbronn weist der Text auf den Materialisten, denn der Apotheker sollte „die Ausländische Stuck […] von bekandten und auffrechten Materialisten zur Hand bringen/ ausserlesen und gebührender Massen verwahren“, während er Produkte, die aus dem Land kommen gemäß der Beschreibungen der Dispensatorien „samblen/ das gute von dem bösen und untüchtigen also balden absöndern/ solches mit rechter maß drücknen [trocknen]/ und in guten saubern Gefässen/ Kästlein/ Säcklein“ aufbewahren sollte. Nach den Herbae, Flores und Radices folgt ein großes, nach dem Alphabet geordnetes Kapitel: "Von Allerhandt Metallen und andern Stucken/ so auss der Erden gegraben/ im Meer erwachsen/ und auss den Thieren genommen werden/ Auch Säfften/ Gummi/ Hölzern/ Rinden/ Früchten/ und frembden Gewürtzen". In diesem, ungewöhnlich breit angelegten Kapitel sammeln sich fast alle für unser Vorhaben interessanten Waren. Diese Struktur wird in der Taxe Heilbronn 1655 weiterverfolgt.

Die für das gesamte Herzogtum Würtemberg gültige Taxe Württemberg 1641 legt die Bezugsquellen und Handelswege offen: Simplicia, die im Garten des Apothekers angepflanzt werden können oder domestica, „deren das Land voll ist“ und die deswegen – in moderner Sprache ausgedrückt – regional bezogen werden könnten, hätten Vorrang vor solchen Waren, die man von „Augspurg holen/ und desto theurer verkaufen müste“. Der Eigenanbau von Heilpflanzen geschah nicht nur aus schwäbischer Sparsamkeit sondern der Frische der Wirkstoffe wegen. „Außländische und frembde Apotheckische Materialia“ würden aus „Franckfurt/ Straßburg/ auch [von] anderen fürnämsten Messen in Teuschland“ bezogen. Dahin würden „solche [Waren] in grosser Anzahl gebracht“ oder von dort dem Apotheker „der Notturfft wegen/ sonst von andern Orten hero/ zugeschickt“ werden. Das Wörtchen „zugeschickt“ mag auf ein weit zu wenig beachtetes Glied in der Warenkette hinweisen, den Fuhrmann. Es war er, der die auf einer Messe erworbenen Waren in die Apotheker verfrachtete. Die Apothekenordnungen erwähnen die Logistikunternehmen ihrer Zeit allerdings nie. Wie schon 1626 wird dem Apotheker gestattet, "alles [...] was zu allerhand Farben gehört/ fail zuhaben.“ Eine Auswertung der Taxe ergibt dann aber rasch, dass die ausgepreiste Farbpalette schmal ist- so fehlen Leinöl, Ocker, Bleigelb oder Smalte, um nur einige wenige zu nennen.

Bremen 1644 ist eine der wenigen Taxen, in der die dort gültigen Währungen (Reichthaler, Groten und Schwar) in ihren jeweiligen Umrechnungen aufgeführt sind.

Bremen 1644 (Universitätsbibliothek Erlangen-Nürnberg)

Davon, dass die Umrechnung im Alltag möglichenfalls nicht unproblematisch war, oder dass sich die Währungen geändert haben, sprechen handschriftliche Eintragungen, die eine Umrechnung in Schillinge (7 ½ Pfennige), Pfennige und Sößling (Sechsling = 6 Pfennige = ½ Schilling) belegen. Allein diese wenigen Angaben belegen die Inkonsistenzen, Schwierigkeiten und Unsicherheiten bei der Umrechnung von Währungen. Ausschließlich in Apotheken verkauft werden sollen u. a. „Destillierte und auch andere zubereitete Oehle/ ausser gemeinem Oehle/ als Baumöhl/ Rüböhl/ Leinöhl“. Dies bedeutet, dass der Vertrieb von Spiköl oder Terpentinöl der Apotheke vorbehalten blieb. Bremen 1644 bemüht sich - wie viele Taxen ihrer Zeit - um eine deutliche Abgrenzung von Gewürzkrämern wie von Materialisten. Letzteren beiden war der Handel mit kleinen Mengen – vermutlich unter einem Loth – verboten: Dies war allein der Apotheke zugestanden.

Bereits auf dem Titelblatt von Schweinfurt 1644 wird erwähnt, dass es sich um die vierte Schweinfurter Taxe handelt, sie sei „zum vierdten mahl auffgelegt“. Schweinfurt 1644 löst die Taxe Schweinfurt 1614 (3. Auflage) ab, die wiederum Schweinfurt 1607 (2. Auflage) nachfolgte. In Anbetracht des Ediktes von Kaiser Karl V von 1548, das auf eine amtliche Regelung des Apothekenwesens einschließlich einer Taxe abzielte, muss also noch eine weitere Liste erschienen sein. Da bislang nicht im Druck nachweisbar, könnte dieses Exemplar auch handschriftlich sein?

Schweinfurt 1644 (Universitätsbibliothek Erlangen-Nürnberg)

Anlass für die 4. Auflage ist die Tatsache, dass sowohl einfache wie auch zusammengesetzte Waren hinzugekommen sind. Im Aufbau entspricht die Taxe der Taxe Schweinfurt 1607. Allerdings wandern der deutsche und der lateinische Index nach vorne und wird hinten ein auf wendiges, ausfaltbares Schema über die Kapitel der Sammeltaxe angehängt. So ordnet sich die Welt in lebende und tote Materie, werden aus den Simplicia, den Mineralien, den Fossilien, Metallen und aus dem Meer gewonnenen Stoffen gepulverte, gepresste, destillierte, extrahierte und zubereitete Wirkstoffe.

Inwieweit die Preise im Zeitraum von 1607 bis 1644 – also fast über die ganze Zeit des 30jährigen Krieges – angepasst wurden, harrt noch einer genaueren Untersuchung. Die Herbae und die Flores werden in der Regel nach einer Handvoll (Manus) bemessen. Hierbei wird „ein Handvoll […] für ein Loth gerechnet“, eine häufig getroffene Regelung. Gibt der Apotheker Waren außerhalb der pharmazeutischen Zubereitungen direkt an seine Kunden ab, wird das, „was ansonsten von der hand verkaufft wird/ mit dem gemeinen oder Kramergewicht ausgewogen“. Auch wenn es denkbar ist, dass es ein örtliches gemeines Pfund unbekannten Gewichtes gab, lösen wir das Kramerpfund zu 32 Loth à 480 g auf. Der Kunde erhält also für den Preis eines Medizinalpfundes 25% mehr an Ware als bezahlt.

Alle hier untersuchten Schweinfurter Taxen können der heutigen Stadt-Apotheke im Rathaus zugeordnet werden. Die 1614 von Leonhard Bausch geführte Apotheke bestand bereits seit 1412. Sie ist bis heute in den historischen, wenngleich umgebauten Räumlichkeiten untergebracht. Das Startkapitel von 5.000 Gulden – eine enorme Summe, die die Stadt für ihre Apotheke aufbrachte – unterstreicht die Bedeutung, die das Apothekenwesen für die freie Reichsstadt Schweinfurt hatte. Die Apotheke wurde unter dem Monopol der Stadt betrieben: Der Apotheker, die beiden Gesellen und der Lehrling erhielten ein städtisches Salär. Die „Stadt-Apotheke zum Löwen“ ist für den von uns betrachteten Zeitraum von 1607 bis 1644 die einzige in Schweinfurt geblieben. [4]

Kopenhagen 1645 ist in Latein und Dänisch verfasst. Möglichfalls war der Verfasser deutschstämmig, denn ihm sind die Übersetzungen vom Lateinischen ins Dänische immer wieder nicht geläufig. Beispiele sind Maler lack, Kugellack, Rosel oder Parißroth, Scheißgeel, Wandblau, Ohlblaw oder Berckblaw, die unübersetzt bleiben. Kopenhagen 1672 – dessen schönes Titelkupfer bereits eingangs gezeigt wurde – ist dagegen durchgängig in Latein, Dänisch und Deutsch verfasst. Die genannten Blaupigmente mit ihren lateinischen Bezeichnungen lösen sich dort als Vandblaa für ein synthetisches Blau (das Lod zu 1 Schilling), Olleblaa für Ölblau oder Smalte (das Lod zu 2 Schillingen) und Bierreblaa für ein bergmännisch gewonnenes Bergblau (das Lod zu 3 Marck) auf. In der Taxe wird die Umrechnung von schlechten Thalern zu 54 dänischen Schilling angegeben, wobei sich die Mark höchstens zu 16 dänischen Schilling oder 8 lübschen Schillingen berechnet. So selbsterklärend dieser Passus in der damaligen Zeit war – man war ja gewohnt, in seiner Währung zu denken –, so eindrucksvoll illustriert er die bereits oben erwähnten Unsicherheiten bei der Umrechnung von Währungen.

Kopenhagen 1672 (Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen)

Es ist ein bloßer Zufall, doch dem für dieses Projekt ausgewerteten Exemplar von Straßburg 1647 ist eine „Ordinationum Argentoratensium“ vorgebunden, die die „Mandate und Ordnungen der Stadt Strassburg“ für die Jahre 1603 bis 1671 auflistet. Unsere Taxe ist unter dem Datum des 30. Dezember 1646 zu finden, sie fand ab dem Jahr 1647 Anwendung. In den 159 Nummern der Liste findet sich keine weitere Taxe: Zwischen dem Erscheinen einer Taxe und ihrer Überarbeitung (Renovatio) können also Jahrzehnte liegen. Diese Beobachtung gilt für viele Städte, nicht nur für Straßburg. Dies ist in Anbetracht der z. B. für Brot berichteten Kaufpreisschwankungen verwunderlich.

Straßburg 1647 (Universitäts- und Landesbibliothek Sachsen-Anhalt)

Waren mit fallenden und steigenden Preisen, wie sie fast jede Taxe kennt, mussten in der Apotheke angeschlagen werden. Ihre Werte orientierten sich an den Einkaufspreisen auf den Messen, wie sie auch in Straßburg stattfanden. Die Ordinatio macht jedoch vor allem deutlich, wie reguliert das Leben in einer deutschen Reichsstadt war. Mag man noch eine Fremdenpolizei- oder Postordnung für erwartbar betrachten, führt uns das „Verbot Harn und Urin auf die Gasse auszugiessen“, das „Verbot nächtlicher Ruhestörungen“, das „Verbot ohne Licht auf die Gasse zu gehen“ wie das „Verbot alte Häringe für neue zu verkaufen“ mitten in einen Alltag. Geprägt durch die Ereignisse des 30jährigen Krieges sucht ein „Verbot geraubtes Gut zu erwerben“ und ein „Verbot fremden Kriegsdienstes bei d. kath. Parteien“ Ordnung in vermutlich chaotische Zeiten zu bringen. In den Einflussbereich der Apotheke reichen das „Verbot Branntwein anders als aus Wein herzustellen“, das „Verbot heimlichen Weinhandels“, vermutlich aber auch eine „Renovirte Wurtz Ordnung“, ein „Verbot von Türkauff und Monopolia“, ebenso wie ein „Verbot heimlichen Waarenhandels“ und indirekt das „Verbot Seide mit schädlichen Farben zu färben“. Das örtliche Taxamt legte auch Taxen für „Becker und Mehlleute“ fest, eine Taxe für die Apotheker ist also keine singuläre Erscheinung. Dementsprechend wird im Vorwort unserer Taxe auf den soeben erlassenen „Tax Eid: und Taglohn“ für „Handwercker“, die sich als „Tagner“ (Tagelöhner) verdingen, wie auch für die sogenannten „Handlohner“ verwiesen. Generell gilt, dass sich jede Apothekentaxe in ein festes, amtlich vorgegebenes Gerüst von Einzelregelungen, immer wieder erneuerten Vorschriften und Strafandrohungen einzufügen hat.

[1] Zur Geschichte von Cranachs Apotheke siehe u. a. Herbert Müller-Hester, Apothekenbesitzer und Hofmaler Lucas Cranach d. Aelt., in Deutsche Apotheker-Zeitung / Süddeutsche Apotheker-Zeitung 93 (1953) Nr. 42, S. 766-767.

[2] Deß Herzogthumbs Würtemberg ernewerte Apotecker Ordnung und Tax, Nachdruck der Originalausgabe von 1626 mit einer Einführung von A. Wankmüller (Tübingen), Stuttgart 1970.

[3] http://humboldt-apotheke-goerlitz.de/geschichte.htm, letztmalig aufgerufen 14.3.22. Zur Geschichte der Rats-Apotheke in Görlitz siehe Wilhelm Brachmann, Beiträge zur Apothekengeschichte Schlesiens, Würzburg 1966, hier S. 246 ff.

[4] Mehr zum Apothekenwesen in Schweinfurt siehe die umfangreiche Seite. https://www.schweinfurtfuehrer.de/geschichte/600-jahre-stadt-apotheke/, letztmalig aufgerufen am 15.3.22.

Dieser Beitrag ist unter Angabe der Links zu zitieren als Andreas Burmester: An den Rand notiert. Anmerkungen zum Münchner Taxenprojekt (2022), www.taxenprojekt.de.

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